Die
häufigsten Fragen, die mir über die japanische Sprache und Schrift
gestellt wurden, möchte ich auf dieser Seite zusammenstellen und kurz
beantworten.
Ist Japanisch eigentlich mit Chinesisch verwandt?
In
keinster Weise! Chinesisch und Japanisch gehören zwei völlig
unterschiedlichen Sprachfamilien an, unterscheiden sich in Wortschatz,
Grammatik und Aussprache vollkommen.
Japanisch
ähnelt, was seine Grammatik anbelangt, eher Sprachen wie dem Koreanischen,
dem Mongolischen und dem Türkischen. Ob eine wirkliche Verwandtschaft
zu diesen Sprachen besteht, ist jedoch umstritten. Deshalb bildet Japanisch
nach dem Stand der Forschung eine eigene Sprachfamilie - doch weisen viele
Sprachen dieser Welt (die ural-altaischen oder die austronesischen Sprachen)
gewisse Ähnlichkeiten in Struktur und Grundwortschatz auf.
Dass
das Japanische viele Lehnwörter aus dem Chinesischen enthält,
hat mit einer wirklichen Verwandtschaft nichts zu tun. Diese Begriffe kamen
vor allem im ersten Jahrtausend unserer Zeitrechnung ins Japanische.
Enthält die japanische Sprache viele Fremdwörter?
Durchaus.
Mehr als 40 Prozent des japanischen Wortschatzes nehmen Begriffe aus dem
Chinesischen ein. Der Anteil reinjapanischer Wörter liegt unter 40
Prozent, die restlichen 20 Prozent machen Fremdwörter aus westlichen
Sprachen aus, vor allem natürlich aus dem Englischen. Bereits im 17.
Jahrhundert wurden Begriffe aus dem Holländischen oder Portugiesischen
eingeführt, und im Zeitalter der elektronischen Datenverarbeitung
sind englische Fach- und Modebegriffe natürlich auf dem Vormarsch.
Kaum ein Japaner, der Begriffe wie "Internet", "Chat",
"online" oder "e-mail" nicht verstehen würde...
Gibt es in Japan auch Dialekte?
Definitiv,
ja! Die Situation ist mit der in Deutschland gut zu vergleichen. Dialektale
Unterschiede sind so groß, dass Menschen, die einige hundert Kilometer
voneinander entfernt wohnen, sich gegenseitig kaum verstehen würden,
würden sie ihren heimischen Dialekt sprechen. Doch wird an den Schulen
viel Wert auf die Beherrschung des Standard-Japanisch ("hyôjun-go")
gelegt, und durch die Verbreitung und Beliebtheit des Fernsehens kann man
wenigstens sicher sein, dass das mühsam erlernte Standard-Japanisch
auch im kleinsten Fischerdorf verstanden wird ;-)
Zentrum
des Standard-Japanisch ist die Hauptstadt Tôkyô, wobei es streng
genommen schon in Tôkyô selbst unterschiedliche Dialekte gibt.
Stimmt es, dass es spezielle Frauen- und Männersprachen
gibt?
Das
ist richtig, zeigt sich aber im heutigen Japanisch nicht mehr so stark.
Auffällig ist, dass Frauen und Männer bisweilen unterschiedliche
Wörter für "ich" verwenden - außerdem werden
am Satzende andere Partikel gesetzt, und es gibt Unterschiede in der Verwendung
der Höflichkeitssprache. Eine neutrale Sprache setzt sich immer mehr
durch, und Wörter, die noch vor wenigen Jahrzehnten feste Bestandteile
der Männersprache waren, kommen heute auch aus den Mündern von
Frauen und Mädchen.
Für
Japanisch-Lernende spielen die minimalen Unterschiede praktisch keine Rolle,
und man kann sie anfangs getrost ignorieren, ohne befürchten zu müssen,
in Japan ausgelacht zu werden.
Stimmt es, dass die gesprochene Sprache sich total von der
Schriftsprache unterscheidet?
Nein.
Wie auch der Unterschied zwischen Frauen- und Männersprache wird der
zwischen gesprochener und schriftlicher Sprache von vielen sogenannten
Japan-Kennern stark übertrieben. In jeder Sprache dieser Welt, die
eine Schrift kennt, gibt es Differenzen zwischen Umgangssprache und Schriftsprache,
so auch im Japanischen. Das ist nichts besonderes.
Im
geschriebenen Japanisch findet man besonders viele Kanji-Wörter, also
Begriffe aus dem Chinesischen, während im Gespräch häufiger
reinjapanische Wörter verwendet werden. Etwas ähnliches kennen
wir aus unserer eigenen Sprache - in Texten benutzen wir mehr Fremdwörter
als in der Umgangssprache.
Bis
vor dem 2. Weltkrieg allerdings wurde für Texte noch eine sehr alte
Sprachform verwendet, die sich in Grammatik und Wortschatz stark von der
Umgangssprache unterschied. Wer also ältere Texte lesen möchte
oder muss, kommt nicht umhin, sich mit der "bungo" genannten
alten japanischen Schriftsprache zu beschäftigen.
Was hat man sich unter der vielzitierten Höflichkeitssprache
vorzustellen?
Oft
wird so getan, als sei die Höflichkeitssprache eine Besonderheit Japans.
Das klingt zwar recht romantisch, aber wenn man sich das Deutsche anschaut,
findet man auch darin genügend Hinweise auf Höflichkeitssprache.
Wir reden Leute mit "du" oder mit "Sie" an, wir sprechen
mal von "essen", mal von "speisen", je nachdem, in
welchem Lokal wir Kellner sind, und wir unterscheiden recht präzise
zwischen "willst du", "möchtest du" und "würdest
du", je nachdem, wem wir dabei in die Augen sehen...
Das
besondere am Japanischen ist: Das System von Höflichkeit und Bescheidenheit
ist etwas diffiziler und penibler als unseres, und die Gesellschaft fordert
ein besseres Beherrschen der unterschiedlichen Formen und Wörter.
Man muß lernen, zwischen dem eigenen Vater und dem eines anderen,
zwischen dem eigenen Haus und dem eines anderen zu unterscheiden, sowie
in formellen Situationen andere Wörter verwenden, je nachdem, ob man
selbst etwas tut oder ein anderer.
Wird Japanisch auch außerhalb von Japan irgendwo gesprochen?
Aufgrund
der traurigen Geschichte des 20. Jahrhunderts sprechen viele ältere
Leute in Korea und Taiwan auch heute noch recht gut Japanisch. Sie wurden
während der japanischen Besatzung in ihrer Jugend dazu gezwungen,
die Sprache zu erlernen und zu sprechen und haben sie oft bis heute nicht
verlernt. Dazu kommt, daß durch die wirtschaftliche Bedeutung Japans
in Ostasien Japanisch nach Englisch eine beliebte zweite Fremdsprache darstellt.
In Korea beispielsweise findet man sowohl ältere als auch jüngere
Leute, die gut Japanisch sprechen.
Außerdem
gibt vor allem in Nord- und Südamerika viele Auswanderer oder Geschäftsleute
aus Japan, und dass Japanisch in den Touristenzentren der Welt eine der
am häufigsten zu hörenden Sprachen ist, muß ich wohl nicht
extra betonen :-)
Warum können die Japaner "r" und "l"
nicht unterscheiden?
Die
armen Japaner - so oft werden sie deswegen ausgelacht, obwohl es beileibe
nicht ihre Schuld ist, dass es in anderen Sprachen so viele ähnliche
Laute gibt. Das Japanische ist eine relativ laut-arme Sprache, kommt mit
fünf Vokalen und gut zwanzig Konsonanten aus. Das japanische 'r' wird
mit der Zungenspitze am vorderen Gaumen gebildet und klingt deshalb wie
eine Mischung aus 'd' und 'l'. Da nur ein solcher Laut existiert, sind
japanische Ohren nicht darauf trainiert, solche schrägen Geräusche
wie das deutsche Kehlen-R oder das englische gerollte R von den L's zu
unterscheiden. Lachen Sie nicht - Sie werden Jahrzehnte brauchen, um die
feinen japanischen Akzentunterschiede herauszuhören ... oder es nie
lernen!
(Ist
aber auch nicht besonders wichtig für die Verständigung ...)
Wie ist die japanische Schrift aufgebaut?
Die
japanische Schrift setzt sich zusammen aus chinesischen Symbolzeichen (Kanji)
und zwei Silbenschriften (Hiragana und Katakana). Diese werden gemischt
verwendet, und in vielen Sätzen begegnet man allen dreien auf einmal.
Seltener werden auch lateinische Buchstaben benutzt, vor allem für
Abkürzungen bei Firmen und Organisationen - das staatliche japanische
Fernsehen heißt z. B. NHK und wird auch immer so geschrieben.
Ab
etwa dem 3. Jahrhundert unserer Zeitrechnung wurden die zu diesem Zeitpunkt
bereits voll entwickelten chinesischen Schriftzeichen (Kanji) übernommen
und wurden vor allem seit dem 5. Jahrhundert am Hof und von buddhistischen
Mönchen benutzt. Die Kanjis eigneten sich allerdings nicht besonders
für die Niederschrift der japanischen Sprache, die ja im Gegensatz
zum Chinesischen über eine Vielzahl von Endungen verfügt. Im
9. und 10. Jahrhundert entstanden zwei Silbenschriftsysteme, und zwar auf
folgende Art und Weise: Einige Kanjis wurden immer stärker vereinfacht
und unabhängig von ihrer Bedeutung nur noch für einen Laut verwendet.
Eine dieser Schriften wurde hauptsächlich von den Hofdamen verwendet,
die andere von den buddhistischen Mönchen. Die erstere (anfangs "onnade"
= Frauenhand, Frauenschrift genannt) heißt heute Hiragana, die letztere
Katakana.
Hatten die Japaner vor der Einführung der chinesischen
Zeichen keine eigene Schrift?
Es
gibt zwar einige verbohrte japanische Nationalisten, die das Gegenteil
behaupten, aber allen Erkenntnissen der Historik, Archäologie und
Sprachwissenschaft zufolge besaßen die Japaner keine Schrift, bevor
sie die chinesischen Kanji-Zeichen übernahmen. So what?
Wie viele Schriftzeichen gibt es?
Witzigerweise
wird diese Frage meistens so gestellt und selten gefragt: "Wie viele
Zeichen braucht man?" Das rührt daher, daß wir alle Zeichen,
die wir haben (wir nennen sie Buchstaben) auch verwenden möchten.
In China und Japan ist das anders. Die umfangreichsten Zeichenlexika führen
um die 80.000 Zeichen auf, veraltete, seltene Zeichen und leichte Abweichungen
inklusive. Tatsächlich sind im heutigen Japan maximal 5.000 Zeichen
in Gebrauch, die aber nicht jeder alle lesen und schon gar nicht schreiben
kann. Das Kultusministerium hat 1945 Zeichen zur Verwendung vorgeschlagen,
und die meisten Verlage, Journalisten und Schriftsteller halten sich weitgehend
daran. Wenn man ca. 1000 Zeichen kennt, kann man um die 90 Prozent eines
Buch- oder Zeitungstextes entziffern.
Es
gilt in Japan immer noch als ein Zeichen von Bildung, viele Kanjis zu beherrschen.
Allerdings kann jeder Japaner viel mehr Zeichen lesen als schreiben, und
diese Entwicklung wird noch von der Verwendung der (Computer-)Tastatur
zum Schreiben verschärft. Da man bei der Eingabe am PC nur noch das
richtige Kanji aus einer Anzahl vorgeschlagener Zeichen auswählen
muß, verlernt man die Anordnung der Striche sehr schnell, und fast
alle Japaner klagen heutzutage darüber, immer weniger Kanjis schreiben
zu können.
Schreibt man eigentlich von links nach rechts oder von oben
nach unten oder wie?
Zur
Zeit sind beide Varianten in Gebrauch. Man schreibt entweder wie bei uns,
von links nach rechts in untereinander angeordneten Zeilen, oder von oben
nach unten, dann aber in Spalten von rechts nach links. Die vertikale Schreibweise
ist älter und findet sich heute hauptsächlich in Büchern
oder formellen Briefen. Horizontal schreibt man eher in lockeren Briefen,
in wissenschaftlicher Literatur oder wenn man einfach schnell etwas notieren
möchte. In Zeitungen kann man beide Varianten nebeneinander finden,
im Internet wird man praktisch nur horizontal geschriebene Texte finden,
auch Gebrauchsanweisungen sind gewöhnlich horizontal verfaßt.
Wann werden die Schriftzeichen in Japan endlich abgeschafft?
Diese
Frage wurde mir schon erstaunlich oft gestellt! Offenbar gehen Europäer
gerne davon aus, die Kanjis seien ein lästiges Überbleibsel aus
alten, barbarischen Zeiten, die nur unnötig Zeit kosten, Dinge verkomplizieren
und den Weg ins Computerzeitalter versperren. Japaner, so scheinen Europäer
zu glauben, hängen nur aus Nostalgie an dieser Schrift. Dem ist nicht
so! Schriften wie die Chinesische/Japanische dauern beim Erlernen länger,
aber sie haben auch ihre Vorteile. Sie ermöglichen ein schnelleres
Lesen, dadurch, daß die Information in ihnen gedrängter und
teilweise übersichtlicher enthalten ist. Probleme bei der Datenverarbeitung
gibt es nur, wenn westliche Software beteiligt ist - ansonsten lassen sich
auch Kanjis völlig problemlos verarbeiten. (Eine Ausnahme bietet SMS
- die Handy-Nachrichten werden auch in Japan ausschließlich in lateinischen
Zeichen verschickt.) Und warum sollte das deutsche Kultusministerium die
Umlaute verbieten, nur weil sie auf ausländischen Computern manchmal
Probleme verursachen?
Tatsächlich
war die Idee, Japanisch in lateinischer Schrift oder nur in Silbenzeichen
zu schreiben, schon mehrmals in Japan im Gespräch. Zur Zeit der Meiji-Restauration
(2. Hälfte des 19. Jahrhunderts) und auch später immer wieder.
Bisher konnte eine solche Reform - glücklicherweise, wie ich finde
- nicht durchgesetzt werden.
Können Chinesen Japanisch lesen und umgekehrt?
Jain.
Viele chinesische Zeichen werden in Japan mit leicht abweichender Bedeutung
verwendet, dazu kommt, daß die Satzstruktur völlig anders ist
und viele Teile in den den Chinesen unbekannten Silbenzeichen verfaßt
sind. Umgekehrt sind in China mehr Kanjis in Gebrauch. Stellen Sie sich
vor, Sie lesen (ohne jemals Holländisch gelernt zu haben) eine holländische
Zeitung. Vermutlich werden Sie häufig die Grundbedeutung von einzelnen
Artikeln erraten können, aber präzise übersetzen werden
Sie sie nicht können. Ähnlich ergeht es Japanern, die chinesische
Texte lesen, und umgekehrt...
Ich habe gehört, mit der Silbenschrift kann man alles
schreiben - wozu dann noch chinesische Zeichen?
Chinesische
Zeichen machen einen Text übersichtlicher und genauer. Übersichtlicher
deshalb, weil Substantive meist in Kanjis geschrieben werden, ebenso wie
die bedeutungstragenden Teile von Verben und Adjektiven. Alle "wichtigen"
Wörter fallen dadurch sofort ins Auge. Genauer werden Texte deshalb,
weil mittels der chinesischen Zeichen eine große Zahl gleichlautender
Wörter in ihrer Bedeutung unterschieden werden kann. Kinderbücher
(alles Silbenzeichen) oder SMS-Nachrichten (alles lateinische Buchstaben)
sind ausgesprochen mühsam zu entziffern, obwohl oder gerade weil sie
viel weniger Zeichen verwenden.
Gibt es in Japan Schreibmaschinen?
Mechanische
Schreibmaschinen waren nie in Gebrauch - bis vor wenigen Jahren herrschte
sowohl im geschäftlichen Briefverkehr als auch beim Abfassen von Manuskripten
die Handschrift vor! Bis heute ist es in Japan keine Seltenheit, daß
Verlage handschriftliche Manuskripte erreichen - für viele Schriftsteller
"vom alten Schlag" sogar ein absolutes Muß! Da es unmöglich
ist, eine Tastatur mit mehreren Tausend Tasten herzustellen bzw. zu bedienen,
schlugen alle diesbezüglichen Konstruktionsversuche fehl. Seit etwa
20 Jahren gibt es allerdings sogenannte Wordprozessoren - in Japan abgekürzt
"Wâpro" genannt - Schreibcomputer, die bei der Eingabe
über eine lateinische Tastatur alle möglichen Zeichenkombinationen
zur Auswahl ausgeben. Im Zeitalter des Computers sind diese Geräte
weitgehend verdrängt, doch noch immer sind sie für manche Anwendung
(z.B. das Beschreiben von Postkarten) praktischer und intuitiver als gängige
Textverarbeitungsprogramme. Im Prinzip funktioniert Software wie das japanische
MS Word nach den Grundprinzipien dieser Wortprozessoren.
Werden Zahlen arabisch oder chinesisch geschrieben?
Sowohl
als auch. Die chinesischen Zeichen für die Zahlen werden meist in
älteren Texten oder für kleinere Zahlen (vor allem im ein- bis
dreistelligen Bereich) verwendet. Hohe Zahlen, vor allem in wissenschaftlichen
oder geschäftlichen Texten, schreibt man eher mit unseren arabischen
Ziffern. Es gibt dafür aber keine klare Regel, sondern es bleibt eine
Stilfrage. Yen-Preise bei MacDonalds werden beispielsweise in arabischen
Zahlen angegeben, während in traditionelleren Restaurants gewöhnlich
chinesische Zeichen vorherrschen.
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