Für das Wort Yôkai (sprich: Yookai) gibt es
verschiedene Übersetzungen: Ungeheuer, Zauberwesen, Fabelwesen, Dämon,
und viele mehr. Keines dieser deutschen Wörter trifft es genau. Yôkai
können böse Gespenster sein, Tiere mit magischen Kräften,
Schabernack treibende Kobolde, manchmal sogar hilfsbereite Geister.
Da die japanische Naturreligion Shintô unendlich viele Götter
kennt, die überall in der Natur wohnen, ist die Grenze zwischen den Kami
(Götter) und den Yôkai fließend. Auf dem Bild links zum Beispiel
ist der Inugami abgebildet. Wörtlich übersetzt heißt
das "Hundegott", aber er zählt gleichzeitig zu den Yôkai.
Im Shintô ist die gesamte Natur beseelt. Jeder Fels, jeder
Baum, jeder Fluss oder Wasserfall hat seinen eigenen Kami, seinen Gott oder
Geist, und viele davon kann man auch als Yôkai ansehen. Im Shintô
gibt es keine Trennung zwischen Gut und Böse. Die Kami haben ihren Charakter,
ihre Interessen und Vorlieben, aber keiner von ihnen gehört zu Himmel
oder Hölle, keiner von ihnen passt in unser christliches Schema von Engeln
und Teufeln.
Geschichten über Yôkai gibt es seit uralter Zeit.
Manche gehen auf chinesische oder indische Legenden zurück, die meisten
sind aber in Japan entstanden. Besonders in der Edo-Zeit (1600 - 1868) blühte
das Yôkai-Fieber. Überlieferungen aus allen Teilen Japans wurden
gesammelt, zur Illustration mit Holzschnitten versehen und in Buchform veröffentlicht.
Und weil es so schön war, erfanden die Künstler auch gleich noch
ein paar eigene Yôkai dazu. Daher ist es heute schwer zu sagen, welches
Yôkai in welcher Zeit entstand.
Der wohl bekannteste "Yôkai-Künstler" ist
Toriyama Sekien. Er lebte von 1712 - 1788 und veröffentlichte vier
Bände mit Holzdrucken und Erläuterungen. Sie waren damals Bestseller
und sind auch heute noch in vielen japanischen Buchläden zu finden. Die
Bilder auf dieser Seite stammen aus diesen Büchern. (Wir haben sie der
Seite visipix.com entnommen, wo es noch mehr davon zu sehen gibt.)
Bis heute haben in Japan Jung und Alt ihren Spaß an den
Yôkai. In vielen Mangas und Animes tauchen Yôkai auf, unter anderem
in der bekannten Serie "Inuyasha" oder in den Filmen des Studios
Ghibli, wie zum Beispiel in "Prinzessin Mononoke". Übrigens:
Der Begriff Mononoke hat eine ähnliche Bedeutung wie Yôkai,
wird aber nicht so umfassend verwendet.
Das vielleicht bekannteste Yôkai in Japan ist der Kappa,
eine Art Mischung aus Mensch und Frosch. Auch heute glauben noch viele Leute
in Japan an die Existenz des Kappa. Er lebt in Teichen und Flüssen und
isst für sein Leben gern Gurke. Deshalb heißen Sushi-Röllchen
mit Gurke "Kappa-maki" (Kappa-Röllchen).
Kappa
Andere Tier-Yôkai sind zum Beispiel Fuchsgeister,
listige Dachse oder Monsterkatzen. Früher ging man davon
aus, dass Katzen magische Kräfte erlangen, wenn sie sehr, sehr alt werden.
Diese Katzen nannte man dann Bakeneko, "sich verwandelnde Katzen".
Bakeneko
Eine große Gruppe von Yôkai sind die Mönchsungeheuer.
Man glaubte, dass sich in abgelegenen, verlassenen Tempeln und Schreinen leicht
Ungeheuer einnisten können oder dass manche Mönche selbst zu Ungeheuern
werden. Von diesen schaurigen Gestalten gibt es unzählige Varianten. Der
unten gezeigte Nodera-bô ist eine davon. Bis heute können sich Japaner
kaum einen gruseligeren Ort vorstellen als alte, zerfallene Tempel im Wald.
Nodera-bô
Zum Schluss noch ein Bild des Tenome ("Handauge"),
um zu beweisen, dass die Yôkai nicht nur in Japan als Inspiration für
phantastische Geschichten dienen. Wer Guillermo del Toros "Pans Labyrinth"
gesehen hat, hat auch eine sehr schöne Umsetzung dieses Yôkai gesehen
- und das, obwohl der Film keineswegs in Japan spielt ...
Tenome
Ach ja, keines der abgebildeten Yôkai kommt in unserem
Roman vor. Dafür treten andere, nicht weniger seltsame Yôkai auf.
Oder ist ein Wiesel mit Sichelhänden etwa nichts?
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